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AUSSTELLUNG: Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg. Über die vergessene Hälfte der Geschichte des Zweiten Weltkrieges

11. November 2015 | 18:00 - 18. Dezember 2015 | 19:00

Free

Zeitraum: 11. November bis 18. Dezember 2015

Ort: 2. Stock des Hörsaalgebäudes der Philipps-Universität Marburg, Biegenstr. 14, 35037 Marburg

Öffnungszeiten: Mo-Fr 8 bis 22 Uhr, Eintritt frei, 11.12. geschlossen

Die große Fassung der Wanderausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ wird von 11. November bis 18. Dezember in Marburg gezeigt. Ausstellungsort ist das Foyer des Hörsaalgebäudes der Philipps Universität Marburg. Das Marburger Projekt „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ des Marburger Weltladens setzt sich mit dieser einzigartigen, inhaltsreichen aber auch gesprächszündstoffbeladenen Ausstellung somit fort. Anlässlich des 70. Jahrestages des Kriegsendes in Europa startete der Marburger Weltladen in Kooperation mit diversen anderen Institutionen im Frühjahr dieses Jahres in Marburg und Mittelhessen ein Jahresprojekt zum Thema: von Vorträge, Filmvorführungen, eine Exkursion, die oben erwähnte große Fassung der Wanderausstellung, Unterrichtseinheiten und Workshops in den Schulen bis hin zu Radiosendungen.

Zentrales Anliegen ist die Anregung zur Geschichtsaufarbeitung dieses vergessenen Kapitels der Geschichte des Zweiten Weltkrieges in der „Dritten Welt“ sowie die Überwindung einer eurozentrischen Geschichtsschreibung und die Schaffung eines gleichberechtigten globalen Geschichtsverständnisses mit dem Ziel der friedlichen Koexistenz und der Verständigung der Völker untereinander. Die Auftaktveranstaltung des Marburger Jahresprojektes begann am 14. April mit einem fulminanten Überblickreferat des Kölner Journalisten und Buchautoren Karl Rössel. Danach gab’s bislang drei weitere Vorträge. Z.B.: „Das Jüdische Ghetto von Shanghai“ von Peter Finkelgruen; „Comfort Women“ von Nataly Han (über die Zwangsprostitution und Massenvergewaltigung durch die Japaner) sowie „Afrika und der Zweite Weltkrieg“ von Birgit Morgenrath.

Die Wanderausstellung liefert Informationen über die Rolle und Verluste der „Dritte Welt“ im Zweiten Weltkrieg. Ein vergessenes aber bedeutendes Kapitel der Geschichte, das bis heute sowohl im politischen Diskurs als auch in der Geschichtsschreibung verdrängt oder ignoriert wird, bewusst oder unbewusst. Durch neue Fakten stellt diese Ausstellung einige gängigen Angaben über den Zweiten Weltkrieg in Frage, wie z.B. der Beginn und das Ende des Krieges. Es wird dadurch klarer, dass die bisherigen Angaben oft für den Kontinent Europa gelten, nicht aber für die ganze Welt. Millionen Soldaten aus der „Dritten Welt“ haben im Zweiten Weltkrieg gekämpft, um Europa und die restliche Welt vom deutschen, italienischen und japanischen Faschismus zu befreien: Kolonialsoldaten aus allen Teilen Afrikas (vom Maghreb bis zum Kap), Inder und Pazifikinsulaner, Juden und Araber, Mexikaner und Brasilianer, Aborigines und Maoris, Afroamerikaner und Native Americans. Meist zwangsrekrutiert und als Kanonenfutter in den vordersten Kriegsfronten missbraucht. Ausgegrenzt, ausgetrickst, ausgebeutet und getötet. Undokumentiert und vergessen. Die Kolonialsoldaten wussten dabei oft noch nicht mal, wofür sie kämpften.

Millionen wurden als Hilfstruppen (sog. Pioneers) und als Arbeiter*innen in den Minen, Fabriken und Farmen zwangsrekrutiert. Zudem verschleppten japanische Militärs Hunderttausende Frauen aus Asien in ihre Frontbordelle, wo die Frauen vergewaltigt und missbraucht wurden – die sog. „Comfort Women“ (Trostfrauen), wie die Japaner diese Frauen zynisch titulierten. Die „Dritte Welt“ diente als Rohstoffreservoir, als Nahrungsmitteldepot und Geldbörse für die gesamte Kriegswirtschaft. Weite Teile der “Dritten Welt” wurden während des Krieges zum Kriegsschauplatz. Was nach Kriegsende zurückblieb, waren sowohl verwüstete, verminte und vollmilitarisierte Regionen als auch ruinierte Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen. Wiederaufbauhilfe, also Marshallplan gab es nicht.

Im hiesigen Geschichtsdiskurs werden bis heute Fakten wie diese immer noch ignoriert. Die Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ verändert diesen Zustand des Geschichtsverständnisses. Sie ist Teil der Erkenntnisse jahrzehntelanger Forschungsarbeit des Kölner Journalist*innen- bzw. Autor*innenkollektivs „Recherche International, die also keine Historiker*innen von Haus aus sind. Dessen Buch „Unsere Opfer zählen nicht – Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ und das daraus folgende Langzeitprojekt bilden die Grundlage für das gleichnamige Marburger Projekt „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ des Marburger Weltladens. Das Buch ist die erste deutschsprachige Publikation über die weitreichenden Folgen des Zweiten Weltkrieges in der „Dritten Welt“. Die Hardcover-Version des Buches ist mittlerweile vergriffen. Allerdings, die unveränderte Paper-Back-Ausgabe des Buches ist über die „Bundeszentrale für politische Bildung“ für nur noch 7 € erhältlich. Die Roten Stern Buchhandlung Marburg und der Marburger Weltladen bieten diese Ausgabe sowie die ergänzende Unterrichtsmaterialien an; zum Selbstkostenpreis versteht sich!

Die Premiere der Wanderausstellung fand am 1. September 2009 in Berlin statt, also am 70. Jahrestag des vermeintlichen Kriegsbeginns in Europa. Mittlerweile wurde sie in mehr als 40 deutschen und schweizerischen Städten gezeigt, darunter an renommierten Ausstellungsorten wie den Historischen Museen in Frankfurt am Main und Luzern, dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln und in der Gedenkstätte Neuengamme bei Hamburg. Momentan wird die Wanderausstellung in Münster gezeigt.

Die politische Brisanz mancher Inhalte dieser Ausstellung wurde bereits durch die Auseinandersetzungen und Debatten während der Premiere sichtbar. Die Eröffnungsausstellung wurde eine Woche vor der Vernissage in die Uferhallen in Berlin-Wedding verlegt, weil die Werkstatt der Kulturen in Berlin-Neukölln, wo sie ursprünglich gezeigt werden sollte, die Präsentation der Tafeln über arabische Nazikollaborateure „per Hausrecht“ verhindern wollte. Dieser Zensurversuch war nicht nur unfair sondern auch überflüssig. Denn um Pauschalverurteilungen vorzubeugen, wird unter dem Themenblock „Kollaboration“ (Titel: „Arabische Retter“) auch auf arabische Antifaschist*innen hingewiesen, die Jüd*innen vor den deutschen Besatzern gerettet haben.

Auch die Verwendung des Begriffs „Dritte Welt“ stand in der Kritik. Diese Einheitsterminologie wird oft als das Unterordnen der sog. „Entwicklungsländer“ in die angebliche „Erste Welt“ dargestellt und auch so empfunden. Trotz Kritik, hat das Autor*innenkollektiv diesen Begriff dennoch bewusst verwendet. Zum einen, weil bisherige Alternativbegriffe wie „Peripherie“, „Trikont“ oder „Entwicklungsländer“ sich auch als non-konform oder politisch unkorrekt erwiesen haben. Zum anderen wurde der Begriff „Dritte Welt“ ursprünglich vom algerischen Befreiungstheoretiker Frantz Fanon in seinem Buch „Die Verdammten dieser Erde“ eingeführt, um die Unterdrückung der Kolonien durch die Kolonialmächte zu beschreiben. Nach Ansicht Fanons handele es sich um eine emanzipatorische Terminologie zur Stärkung der damaligen antikolonialen Befreiungsbewegungen.

Diese Ausstellung, die nun in Marburg gezeigt wird, wurde auch vom Kölner „Recherche International“ konzipiert. An der Erstellung des Ausstellungskonzeptes und seiner Umsetzung war der international bekannte Schweizer Künstler und Kurator Bernhard Lüthi beteiligt. Bernhard Lüthi selbst hat seit 1966 zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert, darunter u.a. auf der documenta in Kassel und der Biennale in Venedig.

Anhand unterschiedlicher Präsentationsmedien (digital bedruckte Alu-Tafeln, Hör- und Videostationen, Roll-Leinwänden etc.) werden Erinnerungen von Zeitzeug*innen mit deutscher Übersetzung zu sehen, hören bzw. zu lesen sein. Um den Besucher*innen die Möglichkeit zu bieten, die Ausstellung im Ganzen oder getrennt nach Themenblöcken anzuschauen, wird das Kriegsgeschehen nach Kontinenten gegliedert dokumentiert. Zudem gibt es zwei thematische Abteilungen zur Judenverfolgung außerhalb Europas sowie zur Kollaboration von Politikern aus der „Dritten Welt“ mit den faschistischen Achsenmächten.

Die Eröffnung der Ausstellung in Marburg findet am 11. November statt.  Es werden keine Eintritte für die Ausstellung sowie für alle Begleitprogrammangebote erhoben. Wir freuen uns aber auf Spenden!

Folgende Aktivitäten finden als Begleitprogramm der Ausstellung statt:

07.12 um 19.30 Uhr Filme „Eine Frage der Ehre“, Originaltitel: „Baroud d’honneur“, Frankreich 2006, Regie: Grègoire Georges-Picot, 54 Min., Originalfassung mit deutschen Untertiteln und „63 Jahre später …“, Südkorea 2008, Regie: Kim Dong-Won, 60 Min, Originalfassung mit deutschen Untertiteln
DGB Haus Marburg, Bahnhofstraße 6

09.12 um 19.30 Uhr Film, Vortrag und Diskussion mit Cheikh Djibril Kane
Vortrag „Tirailleurs Sénégalais“ [Senegalschützen] Einsatz afrikanischer Kolonialsoldaten durch die Kolonialmacht Frankreich; und Film „Blutsbrüder – Soldaten des Empires“, Originaltitel: „Frères de sang – Tirailleurs de l’Empire“, Frankreich 2008, Regie: Bernard Simon, 90 Min., Originalfassung mit deutschen Untertiteln
Weltladen Marburg, Markt 7

14.12 um 19.30 Uhr: Film „Frankreich und seine Befreier, Originaltitel: „La France et ses liberateurs“, Frankreich 2009, Regie: Charles Onana, 90 Minuten, Originalfassung mit deutschen Untertiteln
DGB Haus Marburg, Bahnhofstraße 6

16.12 um 19.00 Uhr Film und Diskussion mit Katharina Oguntoye: Schwarze im Nationalsozialismus
und anschließend Film „Black Survivors of the Holocaust“, Großbritannien 1997, Regie: M. Shewa u. D. Okuefuna, 90 Min., Englisch mit deutschen Untertiteln
TTZ Marburg, Softwarecenter 3

21.12 um 19.30 Uhr Film „Blues March“, Deutschland 2009, Regie: Malte Rauch, 78 Min.
DGB Haus Marburg, Bahnhofstraße 6

 

Weitere Info unter: https://www.facebook.com/www.projekt3www2.de?ref=hl

 

Details

Beginn:
11. November 2015 | 18:00
Ende:
18. Dezember 2015 | 19:00
Eintritt:
Free
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