“Wenn die Länder des Überflusses den Entwicklungsländern gerechte Preise für ihre Produkte zahlen würden, könnten sie ihre Unterstützung und ihre Hilfspläne für sich behalten.”
Dom Hélder Câmara, brasilianischer Bischof
Studierende gründen einen Weltladen in der KHG
Der Weltladen Marburg besteht seit 1980. Zur Gründungsgeneration gehörten ausschließlich Studierende, die in ihrer Jugend durch den Perspektivwechsel der 1970er Jahre und die linke Ausrichtung ihrer Fachbereiche in Marburg geprägt waren. Mit den damaligen Solidaritätsgruppen in der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) waren sie nicht nur in einem Netzwerk mit Gleichgesinnten verbunden, sondern erhielten auch die nötige Infrastruktur für die Verwirklichung ihrer Idee. Die Gruppe, die dann den Weltladen gründete, hatte zum Ziel, über Diskussionsrunden und Spendenaktionen hinaus zu handeln.
Ziel der Gründer*innen war es, solidarisch zu sein mit den Menschen im Globalen Süden, auf ihre Situation aufmerksam zu machen und im Globalen Norden das Bewusstsein dafür anzustoßen, wie verknüpft die Lebenssituationen dieser Welt(en) sind.
Ein paar der Studierenden fuhren schließlich mit einem VW-Bus ins nächst gelegene Warenlager der Fair-Handels-Importorganisation GEPA, um dort ein paar Kisten mit Kommissionswaren zum Testen einzukaufen. Über Flugblätter und Mund-zu-Mund-Propaganda wurde versucht, darauf aufmerksam zu machen. Es kamen regelmäßige Info- und Verkaufsstände an den Samstagvormittagen hinzu bis die KHG einen Raum zur Verfügung stellte, den die Studierenden mit wenig Mitteln und selbst gebautem Mobiliar einrichteten.
Der Faire Handel diente dafür als konkrete Handlungsoption, um die Bedingungen für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zu verbessern. Der Verkauf von Produkten stand damals aber nicht im Zentrum, sondern war vielmehr ‚Mittel zum Zweck‘, nämlich die Kund*innen in politische Diskussionen einzubinden, aufzuklären, ihnen Informationen zu vermitteln.
Obwohl es durchaus ein kleines Angebot an Lebensmitteln und Kunsthandwerk gab, verkaufte sich der Kaffee aus Nicaragua am besten. Zur Bildungsarbeit gehörten damals bereits Produktinformationen, aber auch Filmabende in Kooperation mit der Volkshochschule oder die Gestaltung von Konfirmand*innenstunden.
Eine Idee geht von Hand zu Hand bis zum Roten Graben
Viele Studierende engagierten sich im Weltladen, bis es in den 1990er Jahren die Möglichkeit gab, ein Geschäft im Roten Graben zu nutzen. Das brachte sogleich ein ganz neues Publikum, welches die Umsatzzahlen enorm steigerte. Und es sorgte dafür, dass die Vereinsmitglieder altersheterogener wurden.
Mit Hilfe der höheren Einnahmen, öffentlicher Förderungen und viel Engagement konnten in dieser Zeit auch weitere große Projekte ins Leben gerufen werden: die Hakuripuna-Wochen mit vielen Veranstaltungen, der deutschlandweit erste ausleihbare Jeansparcours oder die Ausleihbibliothek im zusätzlich angemieteten Büro im Steinweg.
Professionalisierung bis hin zum Geschäft am Marktplatz
Es folgte eine Zeit mit großen Veränderungen in der Vereinsstruktur, mit ersten Hauptamtlichen und Arbeitsgruppen, die sich immer mehr spezialisierten. 2001 erhielt der Weltladen schließlich das Angebot, in das Geschäft am Marktplatz einzuziehen. Ein großer Erfolg!
Der neue Standort in zentraler Lage brachte sowohl in ökonomischer als auch in lokalpolitischer Hinsicht einen enormen Aufwind: Neben dem Ausbau des Ladengeschäftes und der nun öffentlichen Ausleihbibliothek im Café-Bereich konnte sich auch die Bildungs- und Veranstaltungsarbeit deutlich besser in der Stadtgesellschaft etablieren.
Mehr über die Gründung des Weltladens können Sie in der Weltsicht-Ausagabe von 2010 erfahren.