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Lesung mit Yara Monteiro „Schwerkraft der Tränen“
22. März 2022 | 19:00 – 21:00
TTZ, Softwarecenter 3, 35037 Marburg
Eintritt frei
Zwischen Angola und Portugal, zwischen Rebellion und Tragödie findet ein Bruch statt – einer, der eine neue Welt eröffnet, der zeigt, was uns ausmacht.
Die intimste Wahrheit ist diese: Vitória kann ihre Mutter nicht für sich beanspruchen.
1965. Angola. Der Freiheitskrieg gegen die portugiesische Vorherrschaft nimmt seinen Lauf. Mittendrin: Rosa Chitula und ihre Familie. Viele suchen Sicherheit und Stabilität in Lissabon, verlassen das Land. Doch Rosa rebelliert, will kämpfen – und wird das Gesicht der Unabhängigkeitsbewegung. Die zweijährige Vitória, Rosas Tochter, flieht mit ihren Großeltern nach Portugal und dann – nichts. Ein Schnitt, der nicht heilen wird.
2003. Lissabon. Vitória Queiroz da Fonsecas Leben besteht aus Erinnerungen: Da sind Bilder, Gerüche, der Geschmack von Sauermilch. Da sind die Säulen eines Traumas, das Vitória nicht überwinden kann: zu wissen, dass ihre Mutter ein Land mehr liebte als ihre Tochter. Denn wie damit umgehen, wenn da niemand ist, der Antworten auf die eigenen Fragen geben kann …
Wie sieht das Leben aus, wenn man in einen Kampf um Freiheit hineingeboren wird, der nicht der eigene ist?
Wie verstehen, dass die Geschichte übermächtig geworden ist, sich hineingedrängt hat zwischen sich selbst und die Möglichkeiten, die man vielleicht gehabt hätte? Vitória kennt ihre Mutter nicht, kennt ihren Kampf nicht. Aber sie trägt die Revolte in sich, genauso wie Rosa. Sie lässt Lissabon, ihren Verlobten und Job hinter sich, getrieben von dem Drang, sich selbst zu begegnen. Doch das Luanda des 21. Jahrhunderts besteht aus Kontrasten, ist abweisend und Heimat zugleich. Hier gehören die Menschen einem Land, das nicht immer das ihre war, das nicht immer das ihre ist. Als Vitória in Huambo die Einzigartigkeit von Angola entdeckt, sich selbst auf der Spur, trifft sie auf die Geister einer fremden Vergangenheit und muss lernen, dass es Risse gibt, die zu tief sind, um noch geflickt zu werden.
In einer klaren Sprache erzählt Yara Monteiro von der Gewalt der Geschichte. Einer Gewalt, die wir spüren, aber nicht aufhalten können. Die vergangen ist, aber für immer bestehen bleiben wird. Wie fühlt es sich an, nach Wurzeln zu greifen, ohne zu wissen, ob man sie fest im Boden verankern oder ausreißen will? Und was bedeutet Freiheit, wenn sie alles ist und gleichzeitig nicht das, was wir für uns gefordert haben? Ein Debüt, das fesselt: kompromisslos.
Yara Monteiro wird bei der Lesung begleitet von ihrem Übersetzer Michael Kegler, der Passagen aus der deutschen Fassung lesen wird.
Yara Nakahanda Monteiro ist Künstlerin, Autorin und: Enkelin der Unabhängigkeit. Sie wurde 1979 in der Provinz Huambo, Angola, geboren, wuchs in Nordportugal auf und fing früh damit an, leere Seiten mit Worten zu füllen. Nach zahlreichen Zwischenstopps in Luanda, London, Kopenhagen und Rio de Janeiro lebt die Autorin heute im Alentejo (Portugal). Sie hat einen Abschluss in Human Resources. Monteiros Sprache ist eindrücklich, klar, intensiv. In ihrem Text zeichnet sie Bilder, die fern und nah zugleich scheinen, die bewegen und Perspektiven eröffnen.
Michael Kegler, Literaturübersetzer, Herausgeber und Literaturkritiker, wurde 1967 in Gießen geboren. Nachdem er seine Kindheit zwischen Brasilien und Deutschland verbrachte, Anglistik, Germanistik und Romanistik an der Frankfurter Goethe Universität studierte und im „Centro do Livro“ jobbte, übersetzt er heute Literatur aus dem Portugiesischen, u.a. von Luiz Ruffato, Paulina Chiziane, José Eduardo Agualusa, Ondjaki und Germano Almeida. Er beschäftigt sich intensiv mit der Geschichte afrikanischer Länder. In Yara Nakahanda Monteiros Roman hat er sich schockverliebt.
Veranstaltung in Kooperation mit Kulturelle Aktion Marburg – Strömungen e.V.; mit freundlicher Unterstützung durch das Marburger Literaturforum e.V.